· 

Socialwalks kritisch beleuchtet

Socialwalks sind im Trend und werden oft gewünscht. Ich biete sie auch immer mal wieder an. Aber was bringen Socialwalks überhaupt und was sind die Nachteile?

Was ist ein Socialwalk?

Jede Hundeschule interpretiert den Socialwalk ein wenig anders. Im großen und Ganzen handelt es sich um einen geführten Spaziergang, um kontrollierte Hundesichtungen oder -begegnungen herzustellen. 

Da vorher meist Verhaltensregeln festgelegt werden, wie beispielsweise das Abstandhalten untereinander, können die teilnehmenden Teams in einer kontrollierteren Situation üben, die Nähe anderer Hunde und Menschen auszuhalten und als möglichst positiv zu erleben.

Deshalb erfreuen sich Socialwalks häufig besonderer Beliebtheit, wenn der eigene Hund Hundebegegnungen schwierig findet.

Was ist ein Socialwalk nicht?

Socialwalks sind keine Spaziergänge zum "Spaß haben" im Sinne von "Wir lassen die Hunde mal toben". Socialwalks dienen auch nicht zum Training von perfekter Leinenführigkeit oder anderen Dingen. 

Normalerweise ist bei Socialwalks kein oder nur sehr wenig direkter Kontakt zwischen Hunden geplant. 

Für wen eignen sich Socialwalks?

Socialwalks sind für jeden Hund und Mensch sinnvoll. Dabei spielt weder die Größe, die Rasse oder das Alter des Hundes eine Rolle. Da Socialwalks aber meist länger als eine Stunde dauern, sollten die Hunde dann bereits ausgewachsen und gesundheitlich in der Lage sein, einen längeren Spaziergang zu absolvieren.

Mögliche Lernziele

Kontrollierte Hundebegegnungen

Viele Teilnehmenden möchten gerne kontrollierte Hundebegegnungen oder Hundesichtungen üben. Da man bei Zufallsbegegnungen ja nie so genau weiß, was ein entgegenkommender Mensch mit Hund so tut, sind Socialwalks eine schöne Alternative:

  • Du kannst sicher sein, dass dir und deinem Hund kein anderer Hund oder Mensch zu nahe kommt.
  • Es gibt keine unerwünschten Direktkontakte.
  • Alle kennen und befolgen die gleichen, von Rücksicht geprägten, Regeln und sind unterwegs, weil sie etwas üben möchten.
  • Die Trainerin oder der Trainer fungieren als Schiedsrichter und Ansprechpartner unter den Teilnehmenden als auch gegenüber fremden Hund-Mensch-Teams. 
  • Die "Hundebegegnungen" bzw. das gemeinsame Spazieren dauert ausreichend lange, um einen gewissen Gewöhnungseffekt zu nutzen.

Mehr über Hunde und Körpersprache lernen

Socialwalks bieten mehr Zeit für Erklärungen und Gespräche als einstündige Gruppenkurse. Während des Socialwalks können Körpersprache und Verhalten der Hunde beobachtet und erklärt werden.

Als Teilnehmer:in kann man auf diese Weise viel und mit direktem Praxisbezug über die Kommunikation von Hunden und ihren Bedürfnissen lernen.

Erwartungshaltungen verändern

Für viele Hunde sind Hundesichtungen bereits ein Auslöser für Aufregung. Irgendwas passiert fast immer:

Unerwünschte Hundekontakte, erwünschte Hundekontakte, Konflikte, Spielen, Kennenlernen, Hallo sagen, Konflikte zwischen den Menschen, Enttäuschung, wenn man nicht hin darf, Entrüstung, wenn der andere zu einem kommt, obwohl man doch geknurrt hat usw.

Da auf Socialwalks rein äußerlich recht wenig passiert, stellt das für viele Hunde eine ganz neue Erfahrung dar: "Hä? Hier sind doch lauter Hunde?? Warum passiert denn jetzt nichts?? Laufen wir jetzt echt einfach nur hier so lang???..."

Dass der eigene Hund mit der Anwesenheit anderer Hunde auch verknüpft, dass er mit ihnen nicht unmittelbar in Kontakt tritt, kann für den Alltag total hilfreich sein. Denn da fordern wir ganz oft, dass unser Hund sich anderen Hunden gegenüber neutral verhält. Das kann er aber nur dann, wenn er genau das auch lernen darf.

Dabei ist es unerheblich, ob der jeweilige Hund sehr gerne viele Kontakte hätte oder keinen Kontakt möchte.

Angemessenes Verhalten oder Neutralität

Für viele Hundehaltenden ist neutrales Verhalten das vorrangige Trainingsziel. Dabei wünschen sie sich, dass ihr Hund entgegenkommende Hunde nicht weiter beachtet oder sich angemessen verhält. 

Beim Socialwalk kann man beispielsweise üben, dass man einen provozierenden Blick auch einfach mal ignorieren kann, aber eben auch, dass man einen provozierenden Blick auch einfach mal unterlassen kann. Es ist also sozusagen für jeden was dabei ;-)

Hier fängt es aber auch schon an, ein wenig anspruchsvoll zu werden. Denn, um den Socialwalk nutzen und das oben beschriebene üben zu können, ist ein wenig Vorbereitung nötig. Du solltest also beispielsweise schon vorher geübt haben, was du tun kannst, um deinen Hund in neutralem verhalten anzuleiten oder provozierendes Fixieren zu unterbinden. 

Unsicherheit ablegen, Lockerheit üben

Auch unsichere Hunde können von Socialwalks profitieren, da sie nicht in direkten Kontakt müssen und sich die anderen Hunde erstmal "von außen" und in Ruhe betrachten können. Ruhe ist übrigens ein gutes Stichwort:

Ruhig bleiben

Ich persönlich baue gerne Ruheübungen in die Socialwalks ein. Selbst unruhige und besonders angespannte Hunde profitieren extrem davon und die gesamte Gruppe setzt den weiteren Weg oftmals entspannter fort. Auch das ist eine wertvolle Erwartungshaltung: In der Nähe anderer Hunde kann man auch einfach mal chillen und garnichts tun.

Eine geklärte Hund-Mensch-Beziehung festigen

Wenn im vorherigen Training bereits daran gearbeitet wurde, dass du als Bezugsperson verantwortlich dafür bist, deinen Hund sicher und zuverlässig durch schwierige oder unübersichtliche Situationen zu führen, kannst du Socialwalks optimal nutzen. Denn auch, wenn Socialwalks zum Ziel haben, dass Hundebegegnungen nicht als so "outstanding" wahrgenommen werden, sind sie anfangs natürlich extrem aufregend. 

Du kannst hier das Erlernte festigen und euer gegenseitiges Vertrauen stärken, aber eben auch deinen Status als die Person festigen, welche die Rahmenbedingungen festlegt, in welchen dein Hund sich "frei entfalten" kann.

Wurde diese Vorarbeit nicht geleistet, ist ein Socialwalk überhaupt nicht dafür geeignet, um dort das erste Mal einen Konflikt auszutragen.

Socialwalks ersetzen kein gezieltes Training, sondern ergänzen dieses lediglich. Ohne Plan und Vorübung kann ein Socialwalk kontraproduktiv sein.

Und damit kommen wir auch zu den kritischen Punkten von Socialwalks. Denn letztendlich entscheidest du selbst, ob die Teilnahme an einem Socialwalk für dich und deinen Hund konstruktiv oder eher nachteilig ist oder ob du bis dahin noch Hilfe benötigst.

Gute und schlechte Vorbilder

Um optimal Hundebegegnungen trainieren zu können, sind gute Vorbilder die besten Trainingshelfer. Bei Socialwalks liegt es in der Natur der Sache, dass sehr unterschiedliche Hunde und Menschen teilnehmen und nicht alle immer in jeder Situation gute Vorbilder sind.

Das muss nicht zwingend ein Nachteil sein, ist aber definitiv anspruchsvoller und du bist mehr gefordert, als in einer Gruppe, die ausschließlich aus sehr höflichen und entspannten Hunden besteht.

Dein Hund benötigt mehr Anleitung und der Socialwalk wird überwiegend davon geprägt sein, die anderen Hunde zu ignorieren. Ihr braucht also die nötigen Skills, um das entsprechend umzusetzen.

Es ist für deinen Hund anstrengend, sich nicht von der aufgeheizten Stimmung anstecken zu lassen. Entsprechende Erholungstage danach sollten eingeplant werden.

Für manche Hund-Mensch-Teams kann aber auch das total lehrreich sein. Denn der Alltag ist ja auch selten immer gechillt und optimal. Es kommt aber eben darauf an, wo dein Hund steht und wie gut du deinen Hund bereits kontrollieren, anleiten und in angemessenem und ruhigem Verhalten bestärken kannst. 

Dauer: Zu lang, zu kurz, perfekt?

Nicht jeder Hund hält direkt einen kompletten Socialwalk durch. Für manche Hunde wäre es anfangs optimal schon nach 10 Minuten aufzuhören und andere Hunde profitieren eben genau von der langen Dauer eines Socialwalks. Normalerweise biete ich Einsteigern an, dass wir die Runde so gestalten, dass sie jederzeit zurückgehen oder aussteigen können ohne, dass sie dann kilometerweit alleine den Parkplatz suchen müssen. Du solltest deine:n Anbieter:in also ansprechen, ob das möglich ist und der Einschätzung vertrauen und lieber vorzeitig und mit einem Ergebnis aufhören, als einen total überreizten und erschöpften Hund durch den gesamten Spaziergang zu zwingen. Behalte also dein Trainingsziel im Auge und besprich dieses, falls nicht schon geschehen, mit deiner Trainerin oder deinem Trainer.

Socialwalks sind nicht das Leben

Hunde sind nicht doof. Viele Hunde durchschauen sehr schnell, dass Socialwalks kontrolliert sind und sie sich dort sicher fühlen können oder umgekehrt, dort mit unangemessenem Verhalten nicht zum Erfolg kommen. Nicht immer lässt sich das Verhalten im Socialwalk unmittelbar auf den Alltag übertragen. Du kannst aber einiges tun, um die Chancen zu vergrößern:

  • Verhalte dich während euer sonstigen Spaziergänge so, wie du es auch während des Socialwalks tust,
  • Vermeide unkontrollierte Situationen, die ihr noch nicht bewältigen könnt und suche solche, in denen du dich absprechen kannst.
  • Nimm möglichst häufig an Socialwalks statt.

Denn: Auch, wenn dein Hund sich im Alltag anders zeigt, gibt dir das eine wertvolle Information darüber, was das Verhalten deines Hundes beeinflusst und was aktuell nötig ist, um erwünschtes Verhalten häufiger zu machen. Darüber hinaus ist jede Situation, in welcher dein Hund erwünschtes Verhalten zeigt, wertvoll und festigt dieses.

Es sei hier aber der Effekt der partiellen Verstärkung erwähnt, den ich dir auch im Coaching erkläre. Dabei geht es um den verstärkenden Effekt von Verhalten, welches ab und zu lohnenswert ist. Wenn du dich also in einer solchen Phase befindest, empfehle ich dir, dich beraten zu lassen, damit du weißt, was du tun kannst, um diesen Effekt außerhalb von Socialwalks oder Trainingseinheiten zu vermeiden.

Heterogene Gruppe und ganz verschiedene Teilnehmer:innen

Das ist sowohl Vorteil als auch Nachteil: Je unterschiedlicher die Hunde und Menschen, umso mehr Generalisierung kann stattfinden. Das kann durchaus vorteilhaft sein und repräsentiert im besten Falle eben auch die unterschiedlichen Hundebegegnungen, die im Alltag stattfinden können.

Dennoch befinden sich die teilnehmenden Hund-Mensch-Teams manchmal auf einem unterschiedlichen Wissens- und Trainingsstand, was dann wiederum Ab- und Rücksprache erfordert und ein wenig mehr vorausschauendem Handeln der bereits erfahreneren Teilnehmer:innen.

Socialwalks als Ersatz für Training und zum "Ausprobieren"

Manchmal kommt es vor, dass sich Teilnehmer:innen anmelden, die Socialwalks als Ersatz für Hundetraining nutzen, nach dem Motto: "Wenn ich meinen Hund nur oft genug wieder in die gleiche Situation bringe, wird er schon irgendwann von selbst kapieren, was das Richtige ist." (und seine Leinenaggression ablegen, nicht mehr an der Leine ziehen, andere Hunde ignorieren, nett zu anderen Hunden sein, keine Angst mehr vor fremden Menschen haben oder gerne an einem bestimmten Ort (bspw. Stadt) spazierengehen. Das ist natürlich quatsch und funktioniert so leider nicht. 

Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Teilnahme an Socialwalks ist also immer, dass du bereits einen Plan und schon trainiert hast. So kannst du dann die erhöhte Reizlage und die Anwesenheit der anderen Hund-Mensch-Teams nutzen und sie ist eine Herausforderung, aber eben keine Überforderung.

Ist ein Hund während des Socialwalks überfordert und der Mensch kann seinen Hund in der Situation nicht anleiten, spreche ich das an und erkläre, weshakb die Teilnahme an dieser Stelle vorerst endet.

 

Gelegentlich kam es auch schon vor, dass sich Menschen angemeldet haben, die tierschutzrelevante Methoden anwenden. Das führt natürlich sofort zum Ausschluss. 

Die Teilnehmenden sind zwar frei in der Wahl ihrer Übungen und Methoden. Aber eben nur, insofern sie das Verhalten ihres Hundes nicht verschlimmern, ihren Hund nicht überfordern und ihm natürlich keine Schmerzen oder anderes Leid zufügen.

 

Wenn du denkst, dass dein Hund aktuell im Socialwalk überfordert sein könnte, dann kannst du hier einen halbstündigen Checkup-Termin buchen. Dabei lernen wir uns kennen und schauen, ob du und dein Hund schon ready für Socialwalks seid oder, was du noch tun kannst, damit ihr es werdet.

Meine Meinung zu Socialwalks

Ich bin nach wie vor zwiegespalten. Einerseits bin ich ein Fan vom gemeinsamen Üben und kontrollierten Spaziergängen, da viele Hunde und vor allem auch ihre Menschen davon sehr profitieren. Für manche Hundehaltenden ist es eine der wenigen Gelegenheiten, um überhaupt einmal längere Zeit in der Nähe anderer Hund-Mensch-Teams zu sein und so einen Einstieg zu finden. Für Andere ist es eine Möglichkeit, geeignete Trainingspartner kennenzulernen und sich auch außerhalb der Socialwalks zu treffen. Manchmal entstehen dabei richtig schöne Hundefreundschaften, was sowieso die viel bessere Art des Sozialkontaktes ist, als immer wieder neue, oberflächliche Zufallsbekanntschaften zu machen.

 

Socialwalks bieten oft einen sicheren und entspannteren Rahmen mit mehr Zeit als die meisten anderen Gruppenangebote und die meisten Hunde verbessern ihre Kompetenzen langfristig.

Auch als Mensch mit einem schwierigeren oder nervöseren Hund ist man oft angespannt und vermeidet irgendwann alle potenziellen Konfliktherde. Manchmal sind Socialwalks auch eine große Hilfe, um selbst wieder sicherer und entspannter in Hundebegegnungen zu gehen.

 

Andererseits sehe ich auch die Kritikpunkte und natürlich möchte ich, dass alle Hunde von den Socialwalks profitieren. Deshalb richtet sich ein Socialwalk nicht nur nach den "Profis", sondern auch nach den Schwächeren, Aufgeregten und insgesamt nach der Gruppendynamik. 

 

Für manche Hunde sind Socialwalks einfach nicht geeignet, oder noch nicht die richtige Variante. Dann sind Spaziergänge mit nur einem anderen Hund-Mensch-Team die bessere Variante und überfordern nicht gleich so sehr.

Viele Grüße,

deine

Kommentar schreiben

Kommentare: 0
Hundeprofi, Hundetrainer, Ausbildung, Einzeltraining, Mela Hirse

Diese Website verwendet Cookies. Wenn Sie diese Website weiterhin nutzen, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.   Weitere Informationen