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Jagdverhalten abstellen

#1 Hilfe, mein HUnd jagt

Wundert mich nicht. Das machen eigentlich alle Hunde. Die einen mehr, die anderen weniger und ganz besonders gewitzte oder auch krass gezüchtete Exemplare tun es extrem unauffällig oder fast garnicht. 

Grundsätzlich ist Jagdverhalten, oder besser "Beutefangverhalten" jedoch genetisch verankert, was bedeutet: Is da, kann man nich wegmachen, leb damit.

 

Funfact: Erwachsene Wölfe jagen nur, wenn der Hunger sie antreibt und die Erfolgschancen gut stehen. Juvenile Wölfe jagen auch zum Spaß. Hunde auch. So gesehen sind erwachsene Hunde hängengebliebene Wölfe. 

Am Anfang

Am Anfang eines Jagdproblems steht fast immer ein unaufmerksamer Hundehalter. Sei es, dass man nicht hinterfragt, ob Bällchenwerfen für diesen Hund wohl das richtige Hobby ist oder beim Spazierengehen auf Alles achtet, nur nicht darauf, was der Hund da im Unterholz treibt.

Viele Hunde jagen schlicht und ergreifend aus Langeweile. Aber auch das Gegenteil kann ein Motivator sein: Überbeschäftigung, Druck, Meideverhalten und Stress. Bevor man also zu blindem Aktivismus übergeht und den Ball für immer verbannt oder den Hund keine Sekunde mehr au den Augen lässt, sollte man einen Schritt zurück treten und mal genauer hinschauen, welche Gründe es für das Jagen geben könnte. Doch was ist Jagen überhaupt? Sollte sich das Jagen nicht schon längst von alleine eliminiert haben? Schließlich dient es schon lange nicht mehr dem Nahrungserwerb und dürfte also für die meisten unserer Haushunde überflüssig und ein unnötiges Risiko sein.

Was ist dieses Jagen?

Jagen ist genetisch verankert, selbstbelohnend und auslösergebunden. Wie krass dein Hund jagt, wann und wo hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hier spielen nicht nur "innere" Auslöser (genetisch) eine Rolle, sondern auch Lernerfahrungen. Deshalb ist der Begriff "Jagdtrieb"  biologisch betrachtet auch nicht ganz korrekt. Bei Trieben geht man nur von inneren Faktoren aus, die das Verhalten "antreiben". Jagdverhalten wird aber auch von äußeren Faktoren beeinflusst, weshalb man mittlerweile eher von Jagdmotivation spricht. Das aber nur am Rande und auch nur, weil wir noch auf weitere Punkte stoßen werden, bei denen sich Hundetrainer immer wieder streiten werden. Deshalb starten wir nun mit etwas mehr Theorie, damit du einordnen kannst, wovon wir hier eigentlich sprechen.

Jagdsequenz

Nimmt der Hund einen Reiz, also Auslöser, wahr, welcher das Jagdverhalten auslöst, wird eine Verhaltenskette abgespult. Diese nennt man auch "Jagdsequenz". Diese Jagdsequenz besteht aus mehreren Komponenten:

  1. Orientieren, Suchen nach einem Reiz (ungerichtete Appetenz)
  2. Fokussieren, Ausrichten auf einen Reiz (gerichtete Appetenz)
  3. Anschleichen, Hetzen (gerichtetes Annähern)
  4. Packen
  5. Töten
  6. Fressen

Je nach Hund und Rasse werden nicht immer alle Komponenten gezeigt und einige Komponenten wurden züchterisch besonders hervorgehoben. An dieser Stelle möchte ich dich dazu einladen, dich mit der Rasse deines Hundes zu befassen. Auch bei Mischlingen kann man einfach mal hypothetisch arbeiten und sich über mögliche Rasseeigenschaften informieren. 

 

Spätestens bei Komponente 3., dem Hetzen befindet sich der Hund in einer Art Tunnel und kann mit akzeptablen Mitteln kaum noch unterbrochen werden. Die Natur hat sich einige gute Tricks einfallen lassen, damit der Hund während des Jagens nicht einfach aufhört, weil er sich wehtut, es zu anstrengend wird oder er aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten keinen Bock mehr hat. Wie soll es auch anders sein: Es sind die Hormone.

Hormone beim Jagen

Würdest du deinen Hund fragen, warum er jagen geht, würde er dir vermutlich antworten "Weil's geil ist!" Wobei ich auch schon den ein oder anderen Kandidaten kennenlernen durfte, der mir eher "Weil ich's kann" entgegen geschmettert hätte. Er konnte aber nicht reden. Von daher ist er erstmal weiter jagen gegangen. Dazu aber auch erst später mehr.

Also, warum ist Jagen geil? Während des Jagens wird ein wahrer Hormoncocktail gemixt und fröhlich über dem Hund ausgeschüttet. Dieser besteht aus drei Hauptzutaten: Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin. Dieser bunter Strauss an chemischen Botenstoffen lässt deinen Hund innerhalb kürzester Zeit die Welle des "bester Trip ever" reiten und wirkt folgendermaßen:

  •  erhöht den Herzschlag,
  • beschleunigt die Atemfrequenz und sorgt für optimale Sauerstoffversorgung
  • regt die Leber an, um zusätzliche Zuckerreserven zu mobilisieren,
  • macht schmerzunempfindlicher, 
  • ermöglicht die volle Fokussierung auf die Beute und
  • wirkt extrem leistungssteigernd.

Adrenalin ist als Stresshormon an der Kampf-Flucht-Reaktion beteiligt. Es macht mutig und mobilisiert Alles, was der Körper für eine Höchstleistung benötigt. 

Dopamin

Dopamin ist das, was süchtig macht. Grob gesagt. Dopamin ist ein körpereigenes Opiat und für die effiziente Selbstbelohnung beim Jagen mitverantwortlich. Es verursacht ein extremes Glücksgefühl und genau an dieses supergute Feeling erinnert sich das kleine Hundegehirn, wenn es etwas wahrnimmt, dass mit dem Jagdglücksgefühl vom letzten Mal in Zusammenhang steht.

Warum Jagderfolg und Misserfolg wurscht sind

Die Natur ist schlau und hat sich einige Specialeffects einfallen lassen, damit Jagen niemals doof wird. Denn würden die üblichen Lernmechanismen hier greifen, würde wohl jeder kognitiv halbwegs begabte, aber jagdlich vollkommen untalentierte Hund nach kurzer Zeit aufhören zu jagen. Denn meistens kommt es ja garnicht dazu, dass unser Haushund erfolgreich Beute macht und diese dann auch nich frisst. 

Normalerweise unterliegen Verhaltensweisen also der Regel, dass häufiger Misserfolg langfristig zur Löschung eines Verhaltens führt. Doch hier nicht und dafür verantwortlich ist der oben grob beschriebene Hormonmix.

Das Jagen und hier besonders das Hetzen ist für den Hund extrem selbstbelohnend und wird unabhängig von Erfolg oder Misserfolg immer wiederholt. Denke daran, wenn jemand das nächste Mal von "Jagderfolg" spricht. Denn dein Hund ist schon in dem Moment jagdlich erfolgreich, in welchem er jagt. Egal, ob die Beute entkommt oder ob er das Kaninchen, das Reh, den Ball, das Auto, das Kind erwischt hat. Auch dazu später noch mehr.

 

Der zweite Effekt, der beim Jagen eine große Rolle spielt: Der hündische Organismus ist extrem leistungsfähig und mobilisiert beim Jagen alle verfügbaren Reserven. Das Schmerzempfinden wird gemindert und ist einer der Gründe, weshalb es ansonsten sehr empfindlichen Hunden vollkommen wurscht ist, wenn der halbe Pelz am Stacheldraht hängenbleibt, solange das Kaninchen fest im Blick ist.

 

Deshalb macht es keinen Sinn, einen jagenden Hund bremsen zu wollen. Er hört und sieht dich nicht und wird auch tierschutzrelevante Maßnahmen nur rudimentär zur Kenntnis nehmen. Was diese übrigens nicht plötzlich legitim macht! Das einzige, was hilft, ist Prävention, Management und Training.

Ich hoffe, der erste Teil meiner Jagdserie hat dir gefallen. Wenn dich das Thema interessiert, dann abonniere meinen Newsletter und schon landet der zweite Teil direkt in deinem Email-Postfach. Im nächsten Teil geht es um auslösende Reize, fehlgeleitetes Jagen und was ein gutes "Anti-Jagdtraining" ausmacht.

 

Wenn du Fragen zum Jagdverhalten des Hundes hast, dann lass mir doch einfach einen Kommentar da und ich greife das im nächsten Teil gerne auf.


Viele Grüße,

deine


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