Positive & negative Verstärkung

Belohnung und STrafe im Hundetraining

Positive Strafe und negative Verstärkung. Hä? Wie war das nochmal? Ein bisschen theoretisches Nerd-wissen für Hunde-Interessierte und vor allem: Warum Strafe kontraproduktiv ist und Verhaltensprobleme verstärkt.

Klassische Konditionierung

Bei der klassischen Konditionierung geht es fast immer um sogenannte Ankündigungseffekte. Das bedeutet, dass der Hund eine Verknüpfung zwischen einem bisher neutralen Reiz und einer Konsequenz herstellt.

Ein typisches Beispiel für klassische Konditionierung wäre Folgendes:

Mensch geht zur Garderobe und greift nach der Windjacke (neutraler Reiz > für den Hund ist eine Jacke erstmal etwas völlig belangloses, unwichtiges), nimmt die Leine vom Haken und es geht Gassi.

Da das Wetter stürmisch bleibt, wiederholt der Mensch das Anziehen der Windjacke nun mehrere Tage hintereinander, woraufhin es jedes Mal gemeinsam Gassi geht.

Folgende Beobachtung wird der Mensch nach einiger Zeit machen: Der Hund registriert sehr genau, dass sein Mensch zur Garderobe geht und die Windjacke anzieht und freut sich. Er hat gelernt: Windjacke (ursprünglich neutraler Reiz) = Gassi. Der Griff nach der Windjacke wurde also zu einem klassisch konditionierten Reiz, der Ankündigung zum gemeinsamen Spaziergang.

Umgekehrt kann der Hund jedoch auch lernen: Geht mein Mensch zur Garderobe und greift nach dem Blazer, wird der Mensch gleich ohne mich das Haus verlassen. Der Hund wird sich (insofern er kein Problem mit dem Alleinebleiben hat) in seinem Körbchen zusammenrollen und weiter dösen. Diesen Effekt nennt man übrigens inhibatorische klassische Konditionierung oder auch konditionierte Hemmung. Durch den Griff zum Blazer wird, im Gegensatz zum Griff nach der Windjacke, die Freude und Aufregung auf ein gemeinsames Gassi gehemmt, denn er kündigt dem Hund an, dass für ihn nichts Spannendes passiert. Der Griff zur Windjacke kündigt dem Hund jedoch das Gassigehen an und löst Vorfreude, Aufregung und ähnliches Verhalten aus (exzitatorische klassische Konditionierung).

Operante Konditionierung

Bei der operanten Konditionierung geht es vor allem um zielorientiertes Verhalten. Der Hund möchte etwas unbedingt haben oder ein bestimmtes Ziel erreichen. Beispielsweise möchte er jetzt unbedingt Gassi gehen. Vielleicht steht er auf, geht unruhig umher, stuppst seinen Menschen mit der Nase an oder geht zur Wohnungstür und kratzt an der Tür, kehrt wieder zum Mensch zurück, setzt sich vor ihn und winselt. Er probiert also verschiedene Verhaltensweisen aus, um sein Ziel: Gassi zu erreichen. Steht der Mensch nun genau in dem Moment auf, als er das Kratzen an der Tür hört, um mit seinem Hund nun endlich doch nochmal die Abendrunde zu drehen, hat sich aus Sicht des Hundes, das Kratzen an der Tür gelohnt. Die Wahrscheinlichkeit, dass er das Verhalten (Kratzen an der Tür) beim nächsten Mal wieder zeigt steigt. Operante Konditionierung funktioniert natürlich auch umgekehrt: Reagiert der Mensch auf das Kratzen an der Tür nicht mehr, sondern steht erst auf, wenn der Hund ihn mit der Nase anstupst, wird der Hund das Kratzen an der Tür einstellen und das Anstupsen häufiger zeigen.

Methoden der operanten Konditionierung

Insgesamt gibt es vier Methoden, die zur operanten Konditionierung führen. Nicht jede ist sinnvoll oder mit artgerechtem und fairem Hundetraining vereinbar. Der Vollständigkeit halber, liste ich sie dennoch vollständig auf. Besonders für Hundetrainer ist es wichtig, die Unterschiede zu kennen und vor allem, zu verstehen, welche Konsequenzen der unbedachte Einsatz der verschiedenen Methoden haben kann.

Übrigens: Auch autoaggressives Verhalten, wie beispielsweise das Belecken der Vorderpfoten, kann durch operante Konditionierung entstehen. In einer Stresssituation löst das exzessive Belecken die Ausschüttung chemischer Substanzen aus, die euphorisierend, beruhigend oder schmerzlindernd wirken können. Der Hund lernt, dass ihm das Belecken der Pfoten in einer Stresssituation Linderung und ein angenehmes Gefühl verschafft (das sogar süchtig machen kann) und führt sozusagen an sich selbst eine Art "Selbstmedikation" durch.

Positive Verstärkung

 

 

Angenehmes beginnt (wird "hinzugefügt").

Der Hund wird das Verhalten häufiger zeigen.

Negative Verstärkung

 

 

Unangenehmes hört auf (wird "entfernt").

Der Hund wird das Verhalten häufiger zeigen.

Positive Strafe

 

Unangenehmes beginnt (wird "hinzugefügt").

Der Hund wird das Verhalten seltener zeigen.

Negative Strafe

 

 

Angenehmes hört auf (wird "entfernt").

Der Hund wird das Verhalten seltener zeigen.


Die Begriffe "positiv" und "negativ" sind hier also nicht in ihrem Wortsinn zu verstehen, sondern haben rein quantitative Bedeutung: "positiv" > etwas kommt dazu, "negativ" > etwas wird entfernt".

 

Erhält der Hund etwas Angenehmes, wird er das Verhalten, welches er in dem Moment zeigte und welches sich für ihn positiv auswirkte, häufiger zeigen. Hunde streben danach, möglichst viel Angenehmes zu erreichen. Aus diesem Grund machen wir uns diesen Mechanismus im Training zu nutze und belohnen den Hund für erwünschtes Verhalten. Achtung: Lassen wir uns in dem Moment zum Gassigehen überreden, in welchem der Hund an der Tür kratzt, ist auch dies positive Verstärkung. Jedoch zum Nachteil der Tür ;-)

 

Damit negative Verstärkung stattfinden kann, muss zuvor etwas Unangenehmes hinzugefügt worden sein (positive Strafe). 

Beispielsweise das Kurznehmen der Leine und dem entsprechenden Halsschmerzen für den Hund. Zeigt der Hund nun erwünschtes Verhalten, wird die Leine wieder gelockert. Warum diese Maßnahmen fatale Folgen haben können, erkläre ich noch.

 

Ist das, was wir umgangssprachlich unter Strafe verstehen. Hunde versuchen Strafe und Unangenehmes unbedingt zu vermeiden. So, wie sie für gewöhnlich konfliktmeidend sind. Es gibt jedoch zwei Ausnahmen: Ist die sich bietende Verstärkung aus Sicht des Hundes wertvoll oder wichtig genug, um eine eventuelle Strafe in Kauf zu nehmen, wird er das Verhalten dennoch zeigen. 

Auch neurotisches Verhalten tritt unabhängig von Konsequenzen auf.

Auch diese Methode kann für den Hund, aber auch für den Mensch oder unbeteiligte Dritte dramatische Konsequenzen haben.

Hier wird dem Hund etwas Angenehmes weggenommen oder entzogen. Ein Beispiel wäre das Umdrehen und Weggehen, wenn unser Hund versucht, unsere Aufmerksamkeit durch bellen zu erlangen. Ein anderes Beispiel wäre das Unterbrechen des Spiels, wenn der Welpe seine spitzen Zähnchen einsetzt. Das Spiel (Angenehmes) wird beendet (entzogen). 


Kann man Konditionierung verändern?

Was uns als Hundehalter natürlich interessiert: Kann man Verknüpfungen, positiver und negativer Art verändern, löschen oder neu aufbauen? Ja, in gewisser Weise schon. Früher ist man davon ausgegangen, dass eine Verknüpfung wieder gelöscht oder rückgängig gemacht werden kann. Heute nimmt man an, dass bereits Gelerntes nicht gelöscht, sondern nur überlagert wird. Diesen Prozess nennt man Extinktion.

Klassische Extinktion

Erlerntes ist veränderlich. Zum Glück. Andernfalls wären Tiere (und auch wir) nicht in der Lage, sich an veränderte Lebensbedingungen anzupassen. Zieht ein bestimmtes Verhalten keinen Erfolg mehr nach sich, lohnt sich also für den Hund nicht mehr, wird er dieses (ursprünglich lohnenswerte Verhalten) mit der Zeit abstellen und durch ein anderes Verhalten ersetzen. Dies geschieht entweder durch Ausprobieren, zufälliges Lernen oder Training.

Im Fall einer klassischen Konditionierung bedeutet es, dass ein bestimmter Reiz keine Ankündigung mehr für ein bestimmtes Ereignis darstellt. Beispielsweise stellt das Anziehen der Windjacke keine Ankündigung mehr für das Gassigehen dar, weil Frauchen die Windjacke neuerdings auch im Büro trägt und den Hund nicht mitnimmt. 

Aber: Es kann zu einer sogenannten "Spontanerholung" kommen. Sprich: Der Hund erleidet eine Art Rückfall. Dies sollte beim Training beachtet werden. 

Mögliche Konsequenzen von negativer Verstärkung und positiver Strafe

Im Falle negativer Verstärkung wird mit einem unangenehmen Reiz gearbeitet, welcher entfernt wird, sobald der Hund erwünschtes Verhalten zeigt. Das bedeutet jedoch auch, dass für den Hund eine unangenehme Ausgangssituation besteht. Stellen wir uns vor, unser Hund zeigt gegenüber anderen Hunden unerwünschtes Verhalten, bellt, zieht an der Leine und regt sich auf. Manche Hundetrainer empfehlen, in diesen Situationen, die Leine so kurz zu nehmen, dass sie unter Spannung ist, der Hund also keine Möglichkeit mehr hat, die Leine selbst zu lockern. Dies erhöht jedoch das Stresslevel des Hundes zusätzlich, in Anwesenheit des ohnehin schon negativen Reizes "fremder Hund". Selbst wenn die Leine durch den Menschen gelockert wird, sobald der Hund ein anderes, ruhigeres Verhalten zeigt, ist die Lernerfahrung hinsichtlich des Reizes "fremder Hund" denkbar negativ. Wobei ich bezweifle, dass der Hund überhaupt in der Lage ist, unter diesen Umständen ein erwünschtes Verhalten zu zeigen. 

Im Falle von positiver Strafe werden die destruktiven Mechanismen noch deutlicher:

Stellen Sie sich vor, Ihr Hund zeigt aufmerksamkeitsheischendes Verhalten, bedrängt sie, bellt sie an oder Ähnliches. Bestrafen Sie ihren Hund nun für dieses Verhalten, indem sie etwas "Unangenehmes hinzufügen", ihn also anbrüllen, packen oder hauen, führt dies zu einer weiteren Verunsicherung und der Wunsch nach sozialer Bindung, Sicherheit und Harmonie wird stärker. der Hund wird nun also erst recht aufmerksamkeitsheischendes Verhalten zeigen und mit aller Kraft versuchen, Kontakt zu ihnen zu bekommen. Strafe führt besonders bei Hunden mit wenig Selbstbewusstsein zu einer noch größeren Abhängigkeit, noch mehr Stress und somit meist unerwünschtem Verhalten, vor allem aber zu einem großen Leidensdruck des Hundes, denn sein ursächliches Problem ist nicht gelöst worden. Machen Sie sich bewusst, dass Hunde, die unerwünschtes Verhalten zeigen, dies nicht aus Boshaftigkeit, Rache oder Protest gegen etwaige Erziehungsmaßnahmen tun. Meist liegt problematischem Verhalten, insbesondere Aggressionsverhalten, eine Unsicherheit zugrunde, die durch positive Strafe noch verstärkt wird. Darüber hinaus, werden in Situationen großer Erregung, in welchen der Hund zusätzlich bestraft wird, Notfallmechanismen in Gang gesetzt und das Gehirn mit Substanzen geflutet, die (ganz einfach ausgedrückt) süchtig machend wirken. Im schlimmsten Fall verstärkt die Strafe paradoxerweise sogar das unerwünschte Verhalten. 

Welche Maßnahmen sind effektiv?

Wann immer es irgendwie möglich ist, sollten Sie für eine entspannte Trainingsatmosphäre sorgen und mit positiver Verstärkung arbeiten. Ein entspannter Hund lernt nachhaltig und wesentlich schneller als ein aufgeregter, ängstlicher oder gestresster. Ist es nicht möglich, erwünschtes Verhalten zu verstärken, in dem es belohnt wird, sollten Sie versuchen, mit negativer Strafe zu arbeiten, sprich: Etwas Angenehmes zu entfernen. Aber auch dafür gibt es eine wesentlich bessere Alternative: Die Alternative! Merken Sie sich die Situation, in welcher ihr Hund unerwünschtes Verhalten gezeigt hat und managen sie diese so, dass sie ihrem Hund zeigen können, was sie von ihm erwarten, noch BEVOR er unerwünschtes Verhalten zeigt. Beispielsweise können Sie ein Sitzsignal üben und ihren Hund immer dann dazu auffordern, sich hinzusetzen (und ihn dafür belohnen), wenn absehbar ist, dass er sich in einer Situation befindet, in welcher er bisher immer an ihnen hochgesprungen ist. Zerstören Sie das Vertrauen ihres Hundes in sie und ihre Kompetenz als Sozialpartner nicht durch Strafe. 

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